Alle Menschen wünschen sich Wertschätzung. Mitarbeitende genauso wie Führungskräfte. Egal, ob man sich Studien und Mitarbeiter*innen-Befragungen von Gallup, Great Place to Work, Awaris oder monster.de anschaut: Alle berichten, wie wichtig Wertschätzung für Arbeitszufriedenheit, Leistungsbereitschaft und sogar die Anzahl der Krankheitstage ist. Tatsache ist jedoch, viele Arbeitnehmer berichten in diesen Studien über zu wenig Wertschätzung bzw. wünschen sich im Arbeitskontext mehr davon.
Auch in meinen Führungskräfte-Trainings und -Coachings ist Wertschätzung immer ein großes Thema. Teilweise auch als Quell von Frust und Verzweiflung, wenn Führungskräfte nicht wissen, was sie (noch) tun sollen, um ihren Teams die gewünschte Wertschätzung zu geben.
Doch bevor man weiter in das Wertschätzungsthema einsteigt, finde ich eine Definition des Wortes Wertschätzung wichtig, um nicht zielstrebig aneinander vorbeizureden.
Definition von Wertschätzung
Der Duden definiert Wertschätzung als Ansehen, Achtung; Anerkennung; hohe Einschätzung. Wikipedia bezeichnet Wertschätzung als die positive Bewertung eines anderen Menschen. Der Managementberater und Führungsexperte Reinhard K. Sprenger zerlegt in seinem Buch „Das anständige Unternehmen“ das Wort in „Wert schätzen“ und weitet damit das Feld der Bedeutungen von rein positiver Bewertung auch auf kritische Bewertungen aus. Zusätzlich wird der Aspekt des Gesehen-werdens und in Kontakt-seins hinzugefügt.
Die teils kleinen aber feinen Definitionsunterschiede machen deutlich, wie wichtig es ist, sich zu verständigen, wie man persönlich den Begriff definiert. Sonst kann es sein, dass sich eine Person sehr viel Zeit nimmt, um den Wert der geleisteten Arbeit einer anderen Person „wert zu schätzen“ sprich Feedback zu geben, was ihr/ihm gefällt bzw. was man sich noch anders wünscht. Doch bei der anderen Person kommt diese Wertschätzungsbemühung gar nicht an, da etwas anderes gewünscht wird.
Art & Augenhöhe
Die am weitesten verbreitete Form von (vermeintlicher) Wertschätzung, die ich kenne, findet Ausdruck in der Aussage „Das hast Du gut gemacht!“. Zum Beispiel nach einer gelungenen Präsentation. Doch warum vermeintlich?
- Je nach Kontext könnte es sein, dass ich den Eindruck bekomme, der Mensch, der mir sagt „Das hast Du gut gemacht!“, hat sich nicht so richtig viel Gedanken zu mir und meiner Arbeit gemacht, sprich sich nicht so richtig viel Mühe gegeben.
- Was genau hat ihm/ihr denn gefallen??? Dass es eine Tischvorlage gab, die Vorabversendung der Präsentationsunterlage, der Folienflow der Präsentation, meine Präsenz und Erscheinung in dem Termin, die zum Schluss vereinbarten nächsten Schritte, dass ich Getränke und Kekse für den Präsentationstermin organisiert habe etc.?
- „Das hast Du gut gemacht!“ ist ein bisschen wie eine Schulnotenbewertung (gut = 2 bzw. 11 Punkte) und ein Satz mit DU. Anstatt Augenhöhe erfolgt hier eine Benotung von oben nach unten sowie die Vermeidung des sich Zeigens mit der eigenen persönlichen Wahrnehmung mittels Ich-Botschaften.
Deutlich hilfreicher ist es, wenn man beispielsweise folgendes Feedback gibt: „Ich fand es sehr professionell und hilfreich, dass Du die Folien drei Tage vor dem Termin an alle Teilnehmer*innen versendet hast und anhand der Ruhe, mit der Du auf alle Fragen und Einwände im Termin reagiert und am Ende ein für alle zufriedenstellendes Ergebnis herausgearbeitet hast, habe ich gemerkt, wie gut Du auf den Termin vorbereitest warst.“
Auch Optimierungsmöglichkeiten werden eher, wenn sie konstruktiv und wertschätzend formuliert sind, angenommen: „Und wenn es beim nächsten Mal darauf achtest, dass wir pünktlich mit dem Termin durch sind, dann würde das aus meiner Sicht Deine Professionalität noch weiter unterstreichen und mich weniger in Stress mit meinen Folgeterminen bringen. Vielleicht magst Du Dich ja beim nächsten Mal von einem Zeitwächter unterstützen lassen?!“
Sender und Empfänger
Als es in einem meiner letzten Trainings mal wieder um das Thema Wertschätzung ging, fragte ich, die Gruppe, ob man auch bereit sei, der Führungskraft Wertschätzung auszusprechen? Als Antwort kamen ein entgeisterter Blick und ein promptes „NEIN“. Aber warum denn nicht? Führungskräfte – egal in welcher Hierarchie-Ebene – sind auch (nur) Menschen und freuen sich genauso über ein nettes Wort wie jeder andere Mensch auch. Einfach mal ausprobieren. Frei nach dem Motto „Geben ist seliger als nehmen!“ Und wer weiß, vielleicht wächst dann auch die Motivation Deiner Führungskraft, Dich mit Wertschätzung zu beschenken.
Fazit & Handlungsideen:
- Verstehe, was Dein Gegenüber unter Wertschätzung versteht und was er/sie sich wünscht!
- Sei Dir auch bewusst, was Wertschätzung für Dich bedeutet und inwieweit Du sie Dir von Deinem Team oder Deiner Führungskraft wünschst! Sei ehrlich zu Dir 😊
- Schau, auf welche Art und Weise Du Wertschätzung geben möchtest und wähle dabei bewusst das für Dich passend Maß an Augenhöhe!
- Gib auch mal Deiner Führungskraft die Wertschätzung, die sie/er sich wünscht! Vielleicht sogar mehrfach die Woche?!
Quellen zu o.g. Studien
GALLUP Is Your Industry Delivering on Employee Recognition?
MONSTER.DE Wertschätzung am Arbeitsplatz