Ohne Emotionsregulation, Reframing und Selbst-Mitgefühl keine Innovationskultur!

Veröffentlicht am: 7. April 2022

Die Idee zu diesem Post ist mir bei der ReConnect Masterclass von Tania Singer, die 24.-27. März 2022 im Schloss Neuhardenberg stattgefunden hat, gekommen. Diese Masterclass war eine Mischung aus Neuroscience Talk von Tania Singer u.a. über Empathie und (Selbst-)Mitgefühl im Gehirn sowie die verschiedenen Charakteristika dieser Qualitäten. Und im Anschluss wurden dann von Günter Hudasch immer gleich die entsprechenden Achtsamkeitsübungen angeleitet, die helfen, diese Qualitäten und die entsprechenden Gehirnnetzwerke zu trainieren.

Als Tania aufzeigte, wie wichtig Selbst-Mitgefühl ist, wenn wir (vermeintlich) gescheitert sind und unser innerer Kritiker oder Richter aktiv wird, da wurde mir klar, wie elementar Selbst-Mitgefühl für eine funktionierende Fehlerkultur und damit auch Innovationskultur in Organisationen ist. Denn Innovationen und Fehler sind untrennbar miteinander verbinden. Häufig liegen sehr viele Fehlschläge auf dem Weg zu einer Innovation.

Wenn wir einen Fehler machen, geht es uns häufig schlecht. Und dieses Schlecht-gehen verschwindet nicht einfach, nur weil im Unternehmen eine offene Fehlerkultur ausgerufen wurde. Je nach Kontext und Fehler empfinden wir Scham, Angst für Inkompetent gehalten zu werden oder andere unschöne Emotionen. Und der Impuls kommt auf, den Fehler buchstäblich unter den Teppich zu kehren, wo ihn niemand findet und uns dementsprechend dafür auch nicht schief anschauen kann.

Verfügen wir in so einer Situation über die Fähigkeit, mitfühlend mit uns selber umzugehen, dann fällt es uns leichter, dem Versteck- oder Leugnungsimpuls zu widerstehen. Oder es gar jemandem anderen in die Schuhe zu schieben.

Selbst-Mitgefühl: die eine hat’s, der andere nicht!

Stimmt nicht! In der Tat gibt es Menschen, die mehr in der Lage sind, in schwierigen Situationen mitfühlend mit sich umzugehen als andere. Doch nur deswegen, weil sie es bewusst oder unbewusst früher im Leben trainiert haben. Und genau dies kann jeder andere Mensch auch: Selbst-Mitgefühl trainieren.

Doch wie kann Selbst-Mitgefühl trainiert werden?

Ein sehr bekannter Ansatz kommt von Byron Katie und ihr Werk heißt „The Work“. Dabei geht es darum, sich bewusst zu werden, welche kritischen Gedanken und Glaubenssätze in einem in einer Fehler-Situation aufsteigen. Sprich es braucht Bewusstheit und die Fähigkeit die eigenen Gedanken mit einer gewissen Distanziertheit zu betrachten. Es kann auch hilfreich sein, sich diese Gedanken aufzuschreiben. Dann fängt man an, den Wahrheitsgehalt dieses oder dieser Gedanken zu hinterfragen. Nicht alles was wir denken, ist richtig und korrekt. Dies kann schon ein riesiger Schritt sein. Und vielleicht haben sich dadurch die schwierigen Emotionen schon verflüchtigt.

Dieser Schritt kann auch ein wichtiger Ausgangspunkt für ein grundsätzliches Reframing der eigenen Definition von und Zuschreibung zu Fehlern sein. Vielleicht können Fehler damit von einem Grund für Scham und Angst eher zu einer Lerngelegenheit und einem ganz natürlichen Teil des Lebens werden. Denn nur wer scheitert, lernt auch und entwickelt sich weiter. Dies war uns als Kindern allen unbewusst klar. Wären wir nicht bereit gewesen zu scheitern und es wieder und wieder zu probieren, hätten wir alle nie Laufen und Sprechen gelernt.

Im nächsten Schritt geht es darum, mitfühlend und milde mit sich umzugehen. Dabei geht es darum, sich mit Wohlwollen zu begegnen. So wie eine gute Freundin oder ein guter Freund mit einem in einer schwierigen Situation umgehen würde. Vielleicht kann man sich an ganz konkrete Situationen erinnern, wo dies passiert ist. Und schauen, ob man in der nächsten schwierigen Situation selber so mit sich umgehen kann wie damals der Freund. Auch hier kann es hilfreich sein, sich diese Situation, in denen ein lieber Mensch wohlwollend mit einem umgegangen ist aufzuschreiben. Vielleicht sogar täglich in Form eines Tagebuchs. Häufigkeit und Regelmäßigkeit sind wie bei jedem Training sehr wichtig.

Man kann Selbst-Mitgefühl auch trainieren, indem man sich selber gute Wünsche wie „Möge es mir wohlergehen!“, „Möge ich unbeschwert leben!“ oder „Möge ich frei sein von Sorgen!“ sendet oder andere wohltuende Wünsche in dieser Art für sich formuliert. Dies gibt es auch als Meditation und wird Metta-, Mitgefühl- oder auch Loving Kindness Meditation genannt. Und nach einiger Zeit des Trainings wird man sich dieses Mitgefühl auch in schwierigen Situationen immer häufiger schenken können.

Es gibt ganze mehrwöchige Trainingsprogramme wie Mindful Self-Compassion (MSC) oder Mindfulness-Based Compasionate Living (MBCL), die auf die Stärkung des eigenen Selbst-Mitgefühls abzielen.

Wichtig: Dabei geht es nicht darum, zum Egoisten zu werden. Vielmehr ist Selbst-Mitgefühl eine sehr wichtige Voraussetzung dafür, auch anderen Menschen Mitgefühl entgegen bringen zu können.

Ein weiteres sehr kraftvolles Training stellen die von Tania Singer entwickelten Selbst-Mitgefühls-Dyaden dar, um die es auch in der Reconnect Masterclass ging.

Mit der Fähigkeit zum Selbst-Mitgefühl und zum Reframing sind zwei elementare Grundlagen für eine konstruktive persönliche Fehlerkultur und damit auch Innovationskultur vorhanden. Welche natürlich von einer organisationseigenen Fehler- und Innovationskultur unterstützt werden muss.

Doch für eine konstruktive Innovationskultur braucht es noch mehr. Und dies umso mehr, da Innovationen nicht (mehr) im stillen Kämmerchen stattfinden, sondern effizient nur unter Nutzen des gesamten geballten globalen Netzwerkwissen entstehen können.

Und damit kommen wir zur Emotionsregulation. Oder einen Schritt vorher angesetzt zur Bereitschaft loszulassen und zu teilen. Denn Teilen und damit eigenes Wissen loslassen braucht es, um in der heutigen Netzwerk-Ökonomie erfolgreich zu sein.

Nur unsere Welt hat bis vor kurzem noch sehr anders funktioniert und tut es auch heute noch in weiten Bereichen. In dieser Welt war bzw. ist Herrschaftswissen Trumpf, nur nichts teilen, andere nicht abgucken lassen. Den Ranzen wie in der Schule auf die Mitte des Tisches stellen. Denn der Kuchen ist begrenzt und man selber möchte ja ein möglichste großes Stück für sich ergattern.

Jetzt anders zu handeln, darauf zu vertrauen, dass der Kuchen beliebig wachsen kann und für alle genug da ist, bedeutet einen riesigen Change. Und Veränderungen lösen Ängste aus und erzeugen Widerstände. Und diesen Ängsten kann ich hilfreich nur begegnen, indem ich sie bewusst körperlich wahrnehmen, sie benennen („Ahhh, ich spüre Angst!“) und sie da sein lasse, bis sie vorbeigehen.

Und sie werden vorbeigehen. Vielleicht in ein paar Minuten, nach einmal drüber schlafen oder vielleicht nach einer Woche. Aber eines ist ganz sicher: sie werden vorbeigehen.

Solange wir sie nicht mit weiteren Angstgedanken nähren und so unsere Ängste unnötig lange am Leben halten.

Und somit braucht eine gute Innovationskultur auch Emotionsregulation: Ängste bemerken, körperlich spüren und wohlwollen da sein lassen. Und dann loslassen und teilen.

Und wie trainiert man Emotionsregulation? Ganz einfach: über Atemmeditation und Body Scan. Und auch hier ist Dyadenarbeit hilfreich.

So viel zu meinen Erkenntnissen aus der Reconnect Masterclass und den Gedanken, die mir im Nachgang dann noch so gekommen sind.

Also nix wie ran an das Trainieren von Selbst-Mitgefühl, Reframing und Emotionsregulation!

PS: Das Schloss Neuhardenberg fand ich auch als geschichtsinteressanter Mensch sehr spannend. So war Graf Carl-Hans von Hardenberg mit an dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 beteiligt und eines der Treffen des Kreises um Claus Graf Schenk von Stauffenberg und Henning von Tresckow fand auf Schloss Neuhardenberg statt. Von Hardenberg wurde verhaftet und zum Tode verurteilt, doch zum Glück kam das Kriegsende der Vollstreckung zuvor.