Ist die Gemeinwohl-Ökonomie Bestandteil von New Work?!

Veröffentlicht am: 9. August 2023

Es ist für mich inzwischen ein Muss geworden, die Fragestellungen, die ich in meinen Blogs beleuchte, zu Beginn des Artikelentstehungsprozesses erst einmal bei ChatGPT einzugeben und zu schauen, was das Orakel zurückmeldet. Ganz erstaunlich, was da so kommt und wieviel Gemeinsamkeiten die KI zwischen New Work und Gemeinwohl-Ökonomie sieht. Auch wenn die KI Antwort zeigt, wie Fragen Antworten leiten können (die ChatGPT Anwort findest Du am Ende des Artikels). Keine Sorge, dieser Artikel ist von einem Menschen – sprich mir – geschrieben.

Damit wir bei New Work und Gemeinwohl-Ökonomie das gleiche meinen, möchte ich gerne mit ein bisschen Definitionsarbeit starten.

New Work: Definition, Methoden und Voraussetzungen

Der Begriff „New Work“ geht auf den deutsch-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück, der in den 1980er-Jahren ein Gegenmodell zu Sozialismus und Kapita­lismus entwickeln wollte. […] New Work steht für eine die sozialutopische Idee einer besseren Arbeitsgesellschaft, in der nicht der Mensch für die Arbeit da ist, sondern die Arbeit für den Menschen. In welcher der Mensch eine Tätigkeit sucht und findet, die er „wirklich, wirklich will“. (Quelle deutschland.de).

Praxisnäher auf den Punkt gebracht, umfasst New Work als Konzept all jene Arbeitsformen und -modelle, die Mitarbeiter*innen ermöglichen, selbstbestimmt und sinnerfüllt zu arbeiten. (Quelle: Haufe Akademie)

Bezogen auf den einzelnen Mitarbeitenden werden unter New Work z.B. folgende Arbeitsformen und -modelle verstanden:

  • Arbeitszeitautonomie: flexible Arbeitszeiten, Gleitzeit, Arbeitszeitkonten, Vertrauensarbeitszeit, Sabbaticals, Teilzeit
  • Arbeitsortautonomie: Mobile & Home Office, Workation (Arbeit von Orten aus, wo andere Urlaub machen)
  • Verantwortlichkeiten: Job Enrichment, Job Enlargement

Hinsichtlich Team, Zusammenarbeit und Führung werden u.a. folgende Methoden verstanden:

  • Führung: digitale Führung, Führung auf Distanz, Empowerment-orientierte Führung, agile Führung, situative Führung, gewählte Führungskräfte
  • Team & Zusammenarbeit: Scrum, Design Thinking, Kanban, Holokratie, fluide Teams, Working Out Loud (WOL)
  • Kultur: Fehler- & Lernkultur, Purpose bzw. Sinnorientierung

Als typische New Work Arbeitsbedingungen wird häufig folgendes genannt:

  • Offene, flexible Raumkonzepte und Shared Desks
  • Gesunde und ergonomische Rahmenbedingungen mit gesunder Ernährung und Bewegung
  • Kaffeeautomat und Kicker

New Work braucht ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Selbststeuerung sowie gute Kommunikationsfertigkeiten und die Kompetenz Konflikte mit Kolleg*innen und Teammitgliedern eigenständig anzugehen und zu lösen (siehe New Work Barometer von Prof. Schermuly). Oder wie Joana Breidenbach und Bettina Rollow in ihrem Buchtitel treffend beschreiben „New Work needs Inner Work“. Gerade für Menschen, die aus der Vergangenheit gewohnt sind, wenig bis nichts selber entscheiden und eigenständig angehen zu dürfen und dass Eigeninitiative gar nicht gewollt und vielleicht sogar sanktioniert wird, kann dies in der Anfangsphase eine große Herausforderung sein. Andere werden sich über die neu gewonnene Freiheit freuen und aufblühen.

Unabhängig von all den Methoden, Tools und ob New Work Ansätze Menschen zusagen oder nicht, kann es schwer sein zu beurteilen, wo ein Unternehmen auf seinem New Work Weg steht und ob es bereits gut oder schon sehr gut ist. Und welche Entwicklungspotentiale bestehen.

Eine Bewertungsmöglichkeit bietet der Ansatz von Great Place to Work®, der in der Wirtschaft bereits sehr verbreitet ist und von Unternehmen wie cisco, DHL und Allianz genutzt wird. Eine weitere Möglichkeit, die Umsetzung von New Work in Unternehmen zu erfassen, bietet die Gemeinwohl-Ökonomie.

Gemeinwohl-Ökonomie: Werte und Werkzeuge

Bei der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ), die Christian Felber seinem gleichnamigen Buch 2010 und auf der GWÖ Internetseite beschrieben hat , geht es auch um den Menschen in seiner/ihrer Rolle als Mitarbeiter*innen. Die Gemeinwohl-Ökonomie zielt darauf ab, dass Organisationen

  • die Menschenwürde von Mitarbeitenden achten,
  • mit Menschen fair und solidarisch umgehen und
  • Menschen alle relevanten Informationen verfügbar sprich transparent gemacht bekommen und sie mitentscheiden können.

Durch das Anstreben dieser Werte kann die Gemeinwohl-Ökonomie viel zum Gelingen von New Work beitragen.

Besonders hilfreich kann es für die Bewertung des New Work Status Quos und Entwicklungspotentials sein, dass die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) in ihrem Handbuch zur Erstellung einer GWÖ Bilanz Bewertungskriterien und Punkteskalen für die Bewertung der Erfüllung dieser Kriterien und entsprechende Gemeinwohl-orientiere Praktiken an die Hand gibt, so dass Standortbestimmung und die Festlegung der nächsten Schritte der New Work Roadmap im eigenen Unternehmen viel einfacher werden.

Quelle: ecogood.org

Doch während bei Bergmann die Arbeit für den Menschen da sein soll und nicht umgekehrt, so soll in der Gemeinwohl-Ökonomie nicht nur die Arbeit sondern die gesamte Wirtschaft für den Menschen oder besser alles Leben auf diesem Planeten da sein. Und nicht umgekehrt.

Gemeinwohl-Ökonomie ein Bestandteil von New Work?

Als gesamter Ansatz geht die Gemeinwohl Ökonomie weit über Bergmanns Sichtweise bzw. die gängige New Work Lesart hinaus geht. So beschäftigt sich die Gemeinwohl Ökonomie nicht nur mit der Frage, ob die von den Mitarbeiter*innen zu verrichtende Arbeit inkl. der Arbeitsbedingungen auf die Mitarbeitenden ausgerichtet sind. Sondern die Gemeinwohl Ökonomie fragt für alle Berührungspunkte eines Unternehmens mit seinen Stakeholdern und seinem Umfeld, ob das Zusammenspiel zwischen diesen Berührungspunkten Gemeinwohl-orientiert gestaltet ist und durchgeführt wird:

  • Wie geht das Unternehmen mit seinen Lieferanten um?
  • Wie sind die Eigentums- und Finanzverhältnisse für das Unternehmen geregelt?
  • Wie wird mit den Mitarbeitenden umgegangen?
  • Wie mit den Kund*innen und Mitbewerber*innen?
  • Inwieweit trägt das Unternehmen zum Gemeinwohl in seinem gesellschaftlichen Umfeld bei?

Sprich die Sichtweise der Gemeinwohl-Ökonomie geht weit über die Möglichkeiten von flexibler Arbeitszeitgestaltung, Mobile & Home Office, Shared Desks, flexiblen Raumkonzepten, Servant Leadership, Agilität, Mitbestimmung bei Entscheidungen, etc. für Mitarbeitende hinaus.

Entsprechend ist es eher richtig, andersherum zu sagen, dass New Work ein Teil der Gemeinwohl-Ökonomie sein kann. Sprich wer bereits viel in Richtung New Work in seinem Unternehmen macht, der wird auch bei der Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz besser abschneiden als ein Unternehmen, das bei New Work noch ganz am Anfang steht oder noch gar nicht losgegangen ist. 

Auf der anderen Seite könnte man auch argumentieren, dass New Work in seiner am weitesten verstandenen Weise das gleiche wie Gemeinwohl-Ökonomie ist.

Denn welcher Mensch hat schon wirklich Lust, die Konditionen seiner Lieferant*innen so weit zu drücken, dass diese kaum noch Lust an der Zusammenarbeit haben. Und wer empfindet es als wirklich fair, aufgrund maximal lang ausgehandelter Zahlungsziele bereits erhaltene Leistungen oder Waren erst nach 30 Tagen oder später zu bezahlen?!

Oder wen erfüllt es wirklich mit Sinn, seinen Kund*innen Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen, die sie nicht benötigen?! Die vielleicht sogar eher schaden. Hauptsache die Umsatzziele stimmen.

Und wer liest gerne über sein Unternehmen in der Zeitung, dass dies der Umwelt und unserem Planeten schade. Auch dies werden viele sicher nicht als sinnvolle Arbeit in Bergmanns Sinne verstehen.

Lange Rede, kurzer Sinn

New Work und Gemeinwohl-Ökonomie sind beide auf den Menschen ausgerichtet und gehen weg von der Fokussierung auf Arbeit oder Wirtschaft als Selbstzweck. Dabei geht die Gemeinwohl Ökonomie einen ganzen Schritt weiter und setzt die Werte „Menschenwürde“, „Solidarität & Fairness“, „Ökologische Nachhaltigkeit“ und „Transparenz und Mitbestimmung“ nochmal in einen viel größeren Rahmen.

Daher macht es großen Sinn, sowohl New Work als auch Gemeinwohl Ökonomie in Unternehmen voranzutreiben und gut miteinander zu verzahnen, damit sich beide Ansätze zum Wohle von Mensch und Planet gegenseitig befruchten und verstärken.

Die Gemeinwohl-Ökonomie bietet Organisationen einen professionellen und alle zwei Jahre wiederkehrenden Bilanzierungs- und Zertifizierungsprozesses an, mit Hilfe dessen eine strukturierte Bestandsaufnahme durchgeführt werden kann und Optimierungs- und Weiterentwicklungspotentiale identifiziert und gehoben werden können. Und bietet damit sowohl für Mitarbeitenden als für potentiellen Bewerber*innen Transparenz zu Status Quo und Ernsthaftigkeit der Bemühungen in Richtung New Work und Gemeinwohl-Ökonomie.

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