„Herz öffnen“ als Vorsatz für das neue Jahr?! Einige werden sich jetzt sicher fragen: „Was ist das denn für ein esoterischer Quatsch?“ oder „Ist der Autor nach Sylvester noch nicht wieder nüchtern, so einen Blogartikel zu schreiben?“.
Und dann auch noch „Herz öffnen“ für Teams und Führungskräfte! Im Geschäftsleben geht es doch ums Kämpfen und Gewinnen, sich durchsetzen, First-Mover-Advantage und so weiter.
Doch schon das von Roger Fisher und William Ury 1981 erstmalig veröffentlichte Harvard-Konzept empfiehlt, hart in der Sache und weich zum Menschen zu sein. Sprich, nur weil mein*e Verhandlungspartner*in und ich unterschiedliche Interessen haben, muss ich sie bzw. ihn nicht als Menschen bekämpfen oder diffamieren, sondern kann höflich, freundlich und menschlich zu der Person sein. Neben der „Gewaltfreien Kommunikation“ von Marshall Rosenberg ist das Harvard-Konzept einer der Ansätze, die mit am häufigsten im Rahmen von Mediationsprozessen zur Konfliktklärung zum Einsatz kommen. Außerdem wird es viel in komplexen Verhandlungsprozessen eingesetzt.
Man kann das Harvard-Konzept natürlich als reines Handwerkszeug verwenden und sich „weich“ und höflich verhalten. Doch authentischer und vielleicht auch einfacher ist es, das Harvard-Konzept in Richtung der Geschäftspartner*innen als Mindset oder besser Heartset zu leben: Sprich sein Herz zu öffnen oder mit anderen Worten „Mitgefühl zu haben“.
Und dann ist es auch einfacher, die Kooperation nach dem Thomas-Modell zu leben, bei der beide Seiten gewinnen. Anstatt Konflikte zu vermeiden, einen (teilweise faulen) Kompromiss einzugehen, sich durchzusetzen zu Lasten der Interessen der anderen Seite oder nachzugeben und die eigenen Interessen zu verleugnen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass man sein Herz immer und jedem Menschen gegenüber öffnen muss oder soll. Es kann auch durchaus sinnvoll sein, sich zu schützen und sein Herz zu zumachen. Doch wäre es nicht schön, wenn man eine bewusste Wahl und Einflussmöglichkeit hätte, ob das eigene Herz offen oder verschlossen sein soll?!
Doch was kann ich tun, um mein Herz bewusst zu öffnen und „Herz öffnen“ zu trainieren?
Dazu gibt es verschiedene Achtsamkeitsübungen. Die wohl bekannteste ist die Mitgefühlsmeditation (auch Loving-Kindness- oder Metta Meditation genannt). Dabei sende ich mir und/oder einer anderen Person gute Wünsche. Anbei ein Beispiel für eine Mitgefühlsmeditation:
Um zu verdeutlichen, welche positive Wirkung diese Mitgefühlsübung haben kann, möchte ich gerne eine Erfahrung aus meiner Beraterpraxis teilen.
Vor einiger Zeit habe ich agile Teams bei ihren ersten Scrum Sprints begleitet. Dabei haben beim ersten Sprint Termin zwei Prozessbeobachter teilgenommen und hatten nach dem Termin einige Verbesserungsideen, die überhaupt nicht zur agilen Arbeitsweise passen. Zur weiteren Klärung dieser Verbesserungsideen haben wir einen Folgetermin außerhalb des Sprints vereinbart. Kurz vor diesem Termin habe ich starken Widerstand bei mir gespürt, auf die Verbesserungsideen einzugehen und den beiden die agile Vorgehensweise (nochmal) zu erklären. Ich habe dann vor dem Termin die o.g. Mitgefühlsübung für die beiden Beobachter gemacht, bin danach entspannt und offen in den Termin gegangen und konnte ganz ruhig, klar und wertschätzend vermitteln, warum ihre Ideen nicht zur Agilität passen. Und wir haben gemeinsam Lösungen gefunden, um ihre Ideen auf andere Art und Weise in die Sprints einzubauen. Nachdem die Stimmung zu Beginn des Projekts zwischen uns dreien eher angespannt war, hatten wir danach sehr viel Freude an der Zusammenarbeit.
Dieses Erlebnis ist für mich ein Paradebeispiel dafür, wie konstruktiv und zugleich wohltuend es sein kann, sein Herz für andere Menschen zu öffnen.
Ähnliche Erfahrungen berichtet der Google Ingenieur Chade-Meng Tan in seinem Buch „Search Inside Yourself“ und zeigt in Kapitel 8 zu Menschenführung und sozialen Fähigkeiten Übungen zu Mitgefühl und Herz-öffnen auf. Search Inside Yourself wird übrigens seit vielen Jahren mit großem Erfolg bei SAP trainiert und eingesetzt.
Und was hälst Du von dem Neujahrsvorsatz „Herz öffnen“?