Die letzten Jahre haben uns gelehrt, dass nach der Krise vor der Krise ist. Sicher ist an dem Ausspruch von Max Frisch „Krise ist ein produktiver Zustand, Du musst ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ viel Wahres dran. Doch unabhängig davon lösen Krisen bei vielen Menschen Angst und Ohnmachtsempfinden aus. Dies führt häufig dazu, dass das eigene Team sich Orientierung und Sicherheit von Dir als Führungskraft wünscht. Und gleichzeitig hat vielleicht die Hierarchie über Dir auch (noch) keine neuen Gewissheiten parat. Und so ist in Krisensituationen von allen Beteiligten und in besonderem Masse von Führungskräften zuallererst einmal Selbst-Führung gefordert.
Führungskräfte mit hohem Sicherheitsbedürfnis
Besonders hart treffen Krisen Menschen mit einem stark ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis. Für diese Führungskräfte sind Selbst-Steuerung und Selbst-Fürsorge besonders wichtig. Denn nur wer in seiner Kraft ist, kann auch sein Team gut durch eine Krise führen. Sorgen Führungskräfte mit einem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis in Krisenzeiten nicht gut für sich und regulieren sich nicht gut, besteht die Gefahr, dass mehr von den Erfolgsmustern aus ruhigen Zeiten zum Einsatz kommen: (gesundes) Misstrauen, detaillierte Planung und Kontrolle. Dann wird versucht, dem Chaos mit für die Situation nicht geeigneten Planungsmechanismen Herr zu werden. Und Misstrauen und Kontrollmechanismen (Beispiel Mobile Office: Verbot von virtuellen Hintergründen, permanente und unverzügliche Erreichbarkeit) werden hochgefahren.
Führungskräfte mit einem hohen Bedürfnis nach Innovation, Kreativität und Abwechslung
Andere Menschen laufen in solchen Situationen erst zur Höchstform auf und genießen die Ungewissheit und neuen Herausforderungen. Diese Menschen werden vielleicht sogar Probleme haben, sich in Chef*innen oder Teammitglieder hineinzuversetzen, die diese Krisensituation nicht also genauso inspirierend und vitalisierend empfinden. Außerdem ist es ein schmaler Grad zwischen mutigem beherztem Voranschreiten hinein ins Ungewisse und tollkühnem unangebrachtem Wagemut.
Die phlegmatische Führungskraft
Und wieder andere Führungskräfte haben generell ein eher phlegmatisches Naturell und lassen sich auch in der Krise nicht aus der Ruhe bringen. Das kann dem Team auf der einen Seite Ruhe und Sicherheit geben. Doch auf der anderen Seite kann dies auch zu Irritation und Verunsicherung beitragen, wenn die Teammitglieder den Eindruck haben, dass ihre Chef*in die Situation nicht ernst nimmt.
Da ist keine Krise
Eine weitere Gruppe von Führungskräften entscheidet sich bewusst oder unbewusst, die Krise nicht an sich heranzulassen. Vielleicht aus der Erfahrung heraus, dass die Organisation oder das Geschäftsmodell bisher immer krisenresistent waren. Vielleicht weil Verdrängung eine in der Vergangenheit häufig als erfolgreich erlebte persönliche Krisenbewältigungsstrategie ist.
Zu welcher Sorte Führungskraft gehörst Du? Findest Du Dich in einer dieser Beschreibungen wieder? Was hilft Dir, in Krisensituationen einen kühlen Kopf zu bewahren und Dein Team zielsicher durch turbulente Zeiten zu führen?
Folgen von Krisen in Organisation
Menschen in Organisationen drohen in solchen Phasen Übergebühr viel Zeit in Kaffeeküchen oder mit dem Ohr am Flurfunk zu verbringen. Oder in Meetings, in denen alle klar benennen können, welche Infos sie benötigen, um ihre nächsten Schritte planen zu können, doch niemand die relevanten Infos hat. Und so diese Meetings von eher fragwürdigem Nutzen sind.
Anforderungen an die Führungskraft
Als Führungskraft ist es gerade zu Beginn von Krisen wichtig,
- Unsicherheit wahrzunehmen,
- die damit einhergehenden unangenehmen Emotionen auch körperlich zu spüren,
- in gutem Sinne anzunehmen und auszuhalten,
- einen kühlen Kopf zu bewahren und sich in Impulskontrolle zu üben und
- dem Team gegenüber transparent zu sein.
Heißt weder zu dramatisieren noch die Situation schön zu reden. Und vorhandene Informationen zeitnah zu teilen. Auch auf die Besonderheiten der VUCA Welt spezialisierte agile Formate wie User Stories, Daily Stand-ups und Retrospektiven können hilfreich sein, um als Team in einem guten Kontakt zu bleiben, immer wieder Etappenziele zu identifizieren, die nächsten (kleinen) Schritte anzugehen, regelmäßige Standortbestimmungen vorzunehmen und sich immer wieder neu auszurichten.
Außerdem ist es wichtig, den Blick bereits früh auf die Chancen der Krise zu richten. Welche heiligen Kühe können in der Krise endlich mal geschlachtet werden, welche überholten Muster über Bord geworfen werden?! Welche Testballons in Richtung Zukunft gestartet werden. Man denke nur an die Mobil Office Reglungen im Rahmen von Corona, die noch Wochen vor dem Start der Pandemie völlig undenkbar gewesen wären.
Fragen und Learnings
Was hast Du als Führungskraft aus den letzten Krisen wie Finanzkrise, Covid-19 Pandemie und Energiekriese für Dich gelernt? Hilfreich für die Reflexion finde ich die fünf Fragen aus der Starfish-Retrospektive:
- Was hat aus Deiner Sicht gut funktioniert und könnte auch für die nächste Krise taugen?
- Was solltest Du als Führungskraft bei der nächsten Krise mehr/häufiger machen?
- Was weniger?
- Was solltest Du komplett stoppen und
- was beim nächsten Mal neu ausprobieren?
Viel Freude und gute Erkenntnisse bei dieser Retro! Und falls Du Deine Erkenntnisse mit mir teilen möchtest, freue ich mich!
Und eins ist ganz sicher: DIE NÄCHSTE KRISE KOMMT BESTIMMT!