Auch wenn Change-Verantwortliche es vielleicht gerne anders hätten, so ist der Spruch „Veränderungen erzeugen Widerstand“ häufig mehr als wahr. Dies betrifft sicherlich nicht alle Personen im gleichen Maße. Einige werden die Veränderung begrüßen, vielleicht sogar herbeigesehnt haben und der Großteil der Menschen wird sich eher passiv und abwartend verhalten. Doch bei relevanten Veränderungen ist es ganz normal, dass ein deutlich zweistelliger Prozentsatz der Betroffenen aktiv oder auch passiv im Widerstand ist.
Ein Beraterkollege meinte sogar mal zu mir: „Gibt es keinen Widerstand, dann ist es keine Veränderung!“
Die Gründe, warum Menschen Veränderungen (erst einmal) ablehnen, können vielfältig sein:
- die Angst vor Neuem und Ungewissem,
- (noch) fehlende Kompetenzen,
- Statusverlust,
- Änderung des Berufs- und Kollegen-Umfelds
und vieles mehr.
Es gibt viele Ansätze und Herangehensweisen, um Menschen mit Veränderungen vertraut zu machen und es ihnen zu ermöglichen, die Veränderungsreise mitzugehen.
Wichtig sind zu Beginn erst einmal Transparenz und Klarheit!
Z.B. Wissen und psychologische Erkenntnisse darüber, dass Widerstand in Veränderungsprozessen als etwas ganz normales und menschliches ist. Sowie Informationen dazu, welche Phasen und Gefühlszustände Menschen typischer Weise in Veränderungsprozessen durchlaufen und durchleben.
Ein häufig verwendetes Modell ist hier die Change-Kurve, welche es in unterschiedlichen Darstellungen gibt. Ich persönlich bevorzuge die Darstellung von Alexandra Schichtel, die die Leistungsfähigkeit während eines Veränderungsprozesses über die Zeit darstellt. Eine andere Darstellung stammt von Richard K. Streich. Streichs Darstellung weist die gleichen Phasen und Meilensteine auf, nur stellt seine Kurve die „Wahrgenommene persönliche Kompetenz zur Veränderungssteuerung“ im Verhältnis zur Zeit dar.
Wichtiger als die Wahl der Bezugsgröße der y-Achse sind m.E. die in den beiden Change-Kurven dargestellten Phasen.
Viele Menschen gehen, bevor Raum für Akzeptanz entsteht und Neugierde aufkommen kann, durch die Phasen Sorge, Schock, Abwehr und Trauer.
Warum ist es so hilfreich, diese inneren Prozesse und Zustände zu akzeptieren und anzuerkennen, anstatt sie zu ignorieren?
Wenn ich weiß, dass Menschen eine Phase der Abwehr durchlaufen und trauern müssen, bevor sie bereit sind loszulassen, kann ich als Change Manager vor der Verkündung des Change-Prozess einen Workshop ansetzen, in dem an die Leistungen der Vergangenheit erinnert und diese wertgeschätzt werden können. Häufig reicht dies schon, um Offenheit für Neues zu ermöglichen.
Als nächstes ist es wieder wichtig zu wissen und einzuplanen, dass Menschen eine gewisse Zeit brauchen, bis sie die anstehenden Veränderungen zuerst einmal rational und dann peu à peu auch emotional akzeptieren können.
Darüber hinaus ist es für alle Beteiligten im Veränderungsprozess hilfreich zu verstehen, dass es nach der Neugier und Begeisterung für den Change nochmal zu Rückschlägen kommen kann. Nämlich dann, wenn man anfängt die anstehenden Veränderungen in Prozesse und Strukturen herunterzubrechen. In dieser Phase kann Frust aufkommen, da viele Detailprobleme zu lösen sind. Das gleiche gilt für die Phasen von Experimentieren und Umsetzung, wenn beim Ausprobieren und Üben noch die ein oder anderen Hindernisse und Fehler auftauchen.
Wer mit Kurven-Diagramme mit x- und y-Achse nicht soviel anfangen kann, verwendet vielleicht lieber die Haus-Metapher des House of Change. Wobei man zwischen den Räumen des House of Change und den Phasen der Change Kurve logischer Weise große Übereinstimmungen findet.
Egal für welche Darstellung man sich entscheidet, beide können sehr dabei helfen, das Team – gerade zu Beginn eines Change-Vorhabens – auf die bevorstehenden Gemütszustände und Reaktionen der von der Veränderung betroffenen Personen vorzubereiten, um darauf basierend eine effektive Architektur an Change Management Interventionen zu planen und aufzusetzen.
Folgende Fragen können helfen, sich selber und andere vom Change Betroffene gut durch die Stromschnellen eines Veränderungsvorhabens bringen:
- Wo auf der Change-Kurve bzw. in welchen Zimmern befinden sich gerade die verschiedenen Menschen oder Teams? Woran mache ich das fest?
- Was brauchen die im Change Involvierten jetzt, um den nächsten Schritt in Richtung Veränderung machen zu können? Geht es z.B. um Klarheit und Orientierung, wo die Reise hingeht (Wissen)? Müssen für die innere Bereitschaft und Motivation zur Veränderung Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des Change-Vorhabens klar(er) gemacht werden (Wollen)? Müssen neue Kompetenzen erlernt werden (Können)?
- Wer ist bereit das Change-Vorhaben zu unterstützen und wie binde ich diese Menschen (Fans) gut ein, um Wissen, Können und Wollen der Change-Betroffenen zu steigern?